10. März

Praia do Lixo am Morgen (vom Meer gesäubert...)

Saubere Praia do Lixo am Morgen

Eins muss man uns lassen: Wir gehen momentan zwar öfters mit dem Sandmännchen ins Bett (zeitlich gesprochen!), dafür stehen wir aber auch zu unmöglichen Zeiten wieder auf. Heute riss uns das fröhlich vor sich hinsäuselnde LG-Handy um 5.45 Uhr aus den Träumen. Mir war das nicht ganz unrecht, hatten mich doch die ganze Nacht abstürzende Flugzeuge und grinsende Mülleimer verfolgt. Danach verfolgte mich den ganzen Tag die fiese Wecker-Melodie.

Geglättete Wogen und eigensinnige Frühstücksspezialitäten

Wir wischten uns den Schlaf aus den Augen und gingen an den Strand. Die Sonne war bereits aufgegangen und der Strand schien im Vergleich zum vorigen Tag wie ausgetauscht: Der Müll war größtenteils weg(gespült), die Wogen hatten sich geglättet, statt Sturm wehte eine sanfte Brise. Wir wanderten ein wenig am Strand entlang, sprangen dann in die lauwarmen Fluten und gingen frühstücken. Dabei fiel mir erneut die eigensinnige Art der brasilianischen Nordostler auf: Während die Hotels vieler Völker dieser Welt Pfannkuchen zum Frühstück servierten, hatten sich die kulinarischen Meister Natals eine eigene, unkompliziertere Variante ausgedacht. Pfannkuchenteig? „Viel zu aufwendig“, denkt sich der Mann des Nordostens, „es passt doch auch, wenn man einfach ein wenig Maniok-Mehl (irgendein ziemlich grobkörniges Mehl) in die Pfanne streut, es etwas anbrutzeln lässt, Kokosflocken darüber löffelt und das ganze mit Kondensmilch verziert. Dann nennt man die Komposition ‚Spezialität des Nordostens‘ bzw. schlichtweg ‚Tapioca‘ und drückt es dem Hotelgast in die Hand“. Was sich erst einmal nach einem schlechten Witz anhört, schmeckt in Wirklichkeit erstaunlich gut. Um ehrlich zu sein, konnte ich gar nicht genug davon bekommen. Ich muss mir unbedingt kiloweise Maniok-Mehl kaufen, bevor ich nach Deutschland zurückkomme.

Nachdem wir uns einige Tapiocas genehmigt hatten, fühlten wir uns in der richtigen Stimmung für eine kleine Verdauungstour – glücklicherweise hatten wir bereits gestern für den heutigen Tag eine Buggy-Tour gebucht. Der Fahrer, der in einiger Entfernung auf uns wartete, machte einen etwas zwiespältigen Eindruck, was unter anderem daran lag, dass man seine Hautfarbe nicht eindeutig definieren konnte. Er war irgendwie braun und weiß zugleich. Erst als wir uns ihm näherten, erkannten wir, dass dies an der dicken Schicht Sonnencreme lag, die er über seiner eigentlichen Haut aufgetragen hatte. Wir gingen davon aus, dass der Mann sich seiner Tat bewusst war und nicht bloß über keinen Spiegel verfügte. Also schmierten wir uns ebenfalls eine Extraportion Sonnencreme auf alle unbekleideten Bereiche. Danach quetschten wir uns zu einem vollschlanken Ehepaar in den Buggy (es wunderte mich anfangs, dass wirklich fünf Personen in das winzige Ding passten) und schon ging es los.

Touri-Tour mit Abenteuer-Flair

Ja, die Tour war in der Tat ein echter Touri-Event: Wir hielten an vorgeschriebenen Plätzen, arme Teufel wollten uns mit dubiosen Angeboten das Geld aus der Tasche ziehen und zu Mittag sollten wir in einem Restaurant essen, das ein ungemein unfrisch aussehendes Buffet anbot (worauf wir dankend verzichteten und uns mit einer Kokosnuss an den Strand setzten). Trotzdem fühlte ich mich nach der Tour nicht abgefertigt, auch wenn mich echte Abenteuer-Kerle nun mitleidig anschauen werden. Auf eigene Faust und in so kurzer Zeit hätten wir die ganzen Orte niemals erreicht, denn sowohl das Dünen-Areal als auch viele Strände waren dem öffentlichen Zugang verwehrt. Außerdem war es durchaus abenteuerlich, mit mehr als 80 Kilometern pro Stunde über weitläufige Strände zu preschen, den Panoramablick auf natürliche Seen und das Meer zu genießen, einen Fluss per Holz-Floß zu übersetzen und hohe Dünen zu erklimmen und waghalsig wieder herab zu rasen.

Herrlicher Blick auf einen geschützten See im Dünenpark von Natal

Herrlicher Blick auf einen geschützten See im Dünenpark von Natal

Einsamer Buggy am noch einsameren Strand

Einsamer Buggy am noch einsameren Strand

Unser Buggy mitsamt Fahrer: Da passten wirklich fünf Leute rein!

Unser Buggy mitsamt Fahrer: Da passten wirklich fünf Leute rein!

Abenteuerlich war auch, was ich entdeckte, als wir eine kurze Pause einlegten und sich die Gelegenheit bot, den Buggy genauer zu begutachten. Mein Bauchgefühl wandelte sich von einem angenehmen Kribbeln zu einem leichten Unwohlsein: Unzählige Flickstellen am Buggy zeugten davon, dass unser Fahrer ein echter Draufgänger-Typ zu sein schien. Sicherheitshalber hatte er zudem seine Blutgruppe aufs Blech geklebt – reine Vorsichtsmaßnahme natürlich, denn laut Hotelauskunft musste die Tour ja „muito seguro“ sein. Sicher war zumindest, dass ich aufpassen musste, beim Einsteigen über die hintere Stoßstange mit meinen Füßen nicht in den Motor zu geraten – seine Abdeckung fehlte nämlich gänzlich. Insgesamt sah unser Gefährt ungleich ramponierter aus als die anderen Buggys in unserer Umgebung. Ich sprach mir damit Mut zu, dass unser Wüstenwagen einfach viel länger hielt als die anderen. Deren Fahrer mussten sich wohl aufgrund ihrer waghalsigen Fahrweise alle zwei Wochen einen neuen Buggy anschaffen. Und in der Tat konnten wir es mehrmals erleben, dass ein anderes Gefährt mit einem Platten in der Wüste stehenblieb. Unser Buggy dagegen hielt tadellos durch. Während der Fahrt war es zudem angenehm windig. Sobald wir jedoch stehenblieben, brannte uns die pralle Wüstensonne auf den Pelz. Nina fand zudem, dass unser Fahrer die Dünenabfahrten zum Teil etwas zu emotionsreich gestaltete. Ich, der eingequetscht in der Mitte des Buggys saß, konnte das nicht nachvollziehen. Erst, als mir Nina ihren Platz anbot und ich spürte, wie der Buggy bei jeder Abfahrt scheinbar umzukippen drohte, verstand ich sie. Que emoção!

Don't look behind: Unser Buggy von hinten....

Don't look behind: Unser Buggy von hinten....

Unser Buggy im Wüstenpark. Ohne Schlappen hielten wir es auf dem Wüstensand übrigens nicht lange aus...

Unser Buggy im Wüstenpark. Ohne Schlappen hielten wir es auf dem Wüstensand übrigens nicht lange aus...

Der Motor bleibt aus: Originelle Art, Mensch und Maschine ans andere Ufer zu befördern

Der Motor bleibt aus: Originelle Art, Mensch und Maschine ans andere Ufer zu befördern

Samba und Brot

Als wir ins Hotel zurückkamen, wurde gerade ein Sambakurs angeboten, aber keiner wollte mitmachen. Der Grund war wohl zum einen die reichlich abgenutzte Animateuse und zum anderen die Hotelgäste. Letztere bestanden zu 99% aus Argentiniern, die sich irgendwie nicht mit dem brasilianischen Rhythmus anfreunden konnten (wollten). Sie aßen lieber Unmengen Toastbrot zum Frühstück und saßen dann den ganzen Tag herum. Wir planten, das Toastbrot-Mysterium am nächsten Tag aufzuklären und verbrachten den restlichen Nachmittag damit, die Via Costeira auf- und abzurennen und anschließend unseren Schweiß im Pool abzuspülen (die Dusche sahen wir natürlich erst, nachdem wir schon im Pool waren….). Zu später Stunde, nach einem typischen Abendessen in der Stadt bei (und mit) „Farofa d’Agua“ wanderten wir die Küstenstraße erneut Richtung Hotel ab – diesmal allerdings unfreiwillig, denn es schien kein Bus mehr zu fahren und so etwas wie Fahrpläne gab es – zumindest im Nordosten – wohl nicht. Dafür konnten wir das Meeresrauschen ausgiebig genießen und unsere Beine an der Tür abgeben, als wir nach gefühlten zwei Stunden endlich im Hotel ankamen und unter dem hellen Schein des Vollmonds ins Bett fielen.

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