Vom Milchbubi zum Diamantenjäger

Blood DiamondSonntag Abend sollte eigentlich nicht der übliche Zeitpunkt für einen Kinobesuch sein: Immerhin konkurrieren die Privatsender an diesem Tag intensiv darum, den Zuschauer vor der heimischen Glotze zu halten. Da packt Pro7 noch einen Blockbuster aus, Sat1 schmeißt einen FilmFilmFilm ins Rennen und RTL lässt für einen Hollywood-Streifen sogar seine „Superstars“ temporär im Schrank verstauben. Warum also der ganze Aufwand?


Nun, erstens handelt der Mensch nicht klassich rational, sondern hochgradig rational im emotionalen Sinne. Dies wissen wir spätestens seit Häusels Brain Script. Da mein Gehirn den Großteil der relevanten Entscheidungsprozesse sowieso unbewusst gefällt hat, konnte ich also nichts gegen den sonntäglichen Kino-Drang unternehmen. Und das ist auch gut so.

Blood Diamond ist definitv ein Film, den man gesehen haben sollte.

„Vor dem Hintergrund des chaotischen Bürgerkriegs im Sierra Leone der 1990er-Jahre erzählt Blood Diamond vom Schicksal des südafrikanischen Söldners Danny Archer (Leonardo DiCaprio) und des Mende-Fischers Solomon Vandy (Djimon Hounsou).  Beide sind Afrikaner, aber ihre Herkunft und ihre Lebenssituation könnten nicht unterschiedlicher sein – bis sie durch die Umstände plötzlich eine gemeinsame Aufgabe haben: Sie wollen einen seltenen rosa Diamanten aufspüren, der ihr Leben verändern kann.“ (offizielle Site)

Dies ist die Grundlage des Films, der einen weiteren Höhepunkt in DiCaprios Karriere darstellt. Vom anfangs verwegenen und gottverlassenen Strauchdieb entwickelt sich Danny glaubwürdig zu einem hoch emotionalen und sentimentalen Charakter, der erschreckend gut in die trost- und hoffnungslose Situation des Sierra Leone hineinpasst. Es ist faszinierend, wie DiCaprio – vor wenigen Monaten noch in Departed zu sehen – als „Allzweckwaffe“ eingesetzt werden kann ohne dass ihm dabei noch das Image des „Titanic-Milchbubis“ anlastet. Die Vielfalt und Leichtigkeit, mit der der Schauspieler in verschiedene Rollen schlüpft, ist beeindruckend. Dabei handelt es sich nicht um eine kurzfristige Entwicklung: Schon 1993 brillierte Leonardo DiCaprio in der Rolle als geistig behinderter Bruder von Gilbert Grape (Johny Depp). Wenig später bewies er in Jim Carroll schauspielerisches Können – übrigens wie in Blood Diamond zusammen mit einem gutmütigen und gefühlvollen maximal pigmentierten Afro-Amerikaner (politisch korrekt?!).

Doch zurück zu Blood Diamond. Auch die anderen Schauspieler spielen ihre Rollen glaubwürdig und mit viel Leidenschaft. Darunter Jennifer Connelly als süffisant-pikierte Journalisten mit unglaublich attraktiven Augen und Djimon Hounsou als Solomon Vandy, dem das Wohle seiner Familie höchstes Gut ist.
Edward Zwick insziniert den Film im Dialog zwischen großartigen Landschaftsaufnahmen und langen, mit großartiger Musik unterlegten Naturpassagen einerseits und andererseits mit all der Grausamkeit, Hoffnungslosigkeit und Menschenverachtung, die dem Sierra Leone der 90er Jahre innewohnen. Der Diamant als zentrales Motiv verliert sich dabei während des Films in einer Alibifunktion. Vielmehr stehen mit der Zeit weltlichere Motive wie Macht- und Geldgier sowie die charakterliche Veränderung  Dannys im Vordergrund. Der Schluss des Films ist dabei durchaus etwas melodramatisch konzipiert, jedoch keinesfalls kitschig.

Letztlich ist Blood Diamond uneingeschränkt zu empfehlen. Die Thematik ist im entfernten Sinne an „Lord of War“ angelegt, die dargestellten Motive und Intentionen unterscheiden sich jedoch grundlegend. Wem es nach den vielen (meiner Meinung nach) zu langen Kinofilmen der letzten Zeit einmal wieder nach einem Streifen zumute ist, der vom Anfang bis zum Ende fasziniert, sollte sich Blood Diamond anschauen! Dieser ist zwar auch gewaltige 143 Minuten lang, man merkt es ihm jedoch aufgrund eines gelungenen Spannungsaufbaus kaum an.